Domschatzkammer

Kirchenschatz und Welterbe

Die Geheimnisse des Karlsthrons: Zum aktuellen Stand der Forschung

Was wissen wir eigentlich über den sogenannten Karlsthron? Hat Karl der Große wirklich auf ihm gesessen? Stammen die Marmorplatten tatsächlich aus der Grabeskirche in Jerusalem? Seit wann spielte er eine Rolle bei den mittelalterlichen Königskrönungen?

Diesen und vielen weiteren Fragen gingen Aachens Mittelalterexperten bei einem Infoabend für den Aachener Geschichtsverein (AGV) und den Geschichtsverein für das Bistum Aachen auf den Grund. Harald Müller, Professor für Mittlere Geschichte an der RWTH Aachen, Prof. Frank Pohle, Leitung des Geschäftsbereich Route Charlemagne, und Dr. Birgitta Falk, Leiterin der Domschatzkammer, räumten dabei schonungslos mit Mythen und Märchen auf. Der rein wissenschaftliche Blick unter Bezugnahme auf den aktuellen Stand der Forschung war teilweise ernüchternd. Als Aachener hört man es nicht so gerne, dass erstmals zur Krönung Ottos I. im Jahr 936 überhaupt ein Thron schriftlich erwähnt wird – 122 Jahre nach dem Tod Karls des Großen. Höchst auffällig ist, dass Einhard, des Kaisers Chronist, der die Marienkirche ansonsten sehr detailliert beschreibt, an keiner Stelle von einem Thron spricht.

Aktenauswertung gibt Rätsel auf

Im Centre Charlemagne beschrieb Dr. Birgitta Falk vor den dort ausgestellten hölzernen Brettern aus dem Inneren des Throns, warum die Aktenanalyse zu zurückliegenden Datierungsversuchen so schwierig ist. Dreimal seit den 1950er Jahren seien Proben entnommen und mit unterschiedlichen Verfahren (C14-Methode und Dendrochronologie) analysiert worden – zuletzt im Jahr 2000. Publiziert worden seien die Ergebnisse dieser jüngsten Untersuchung bis heute nicht. Und auch die 1965 erfolgte dendrochronologische Analyse hielt der damalige Dombaumeister Felix Kreusch jahrelang unter Verschluss. Lag es daran, dass der Befund nicht genehm war, da er lautete, dass die Hölzer nicht aus Karls Zeit stammen, sondern vermutlich ottonisch sind? Dies jedenfalls galt bis vor 20 Jahre als allgemeiner Wissensstand. Dann jedoch verbreiteten sich – ausgehend von einem Kölner Archäologen, den das Domkapitel seinerzeit mit einer neuen Untersuchung beauftragt hatte – vermeintlich neue Erkenntnisse, die sich fortan hartnäckig hielten: Die Hölzer seien karolingisch, die Marmorplatten stammten aus der Grabeskirche in Jerusalem. Eine kühne Theorie – da waren sich die drei Historiker einig. Die Untersuchungsergebnisse seien dem Domkapitel nie vorgelegt worden und somit auch nicht überprüfbar. Ein neuer Datierungsversuch sei dennoch vorerst nicht geplant. Bevor man ein weiteres Mal in die Substanz eingreife, so Falk, solle die bestehende Aktenlage weiter aufgearbeitet werden.

Fundierte Aussage zur Herkunft der Marmorplatten nicht möglich

Prof. Harald Müller hat dem Karlsthron sein jüngstes Buch gewidmet, in dem er – maßgeblich gestützt auf Schriftquellen – dessen „dramatischer Überhöhung“ nüchterne Fakten gegenüberstellt. Den Mythos des Karlsthrons dekonstruierte er in seinem Vortrag sehr anschaulich mit Hilfe eines Zeitstrahls, in dem er die schriftlichen Erwähnungen mit den jeweiligen historischen Kontexten in Verbindung setzte. Auf diese Weise zeigte er auf, dass der Thron nicht einmal zu Zeiten Ottos I. explizit Karl zugeschrieben wurde, sondern erst später in staufischer Zeit, als man sich aus Gründen der Machtlegitimation auf die Nachfolge des ersten abendländischen Kaisers berief.

Direkt vor dem Anschauungsobjekt stehend ging Prof. Pohle schließlich auf die Ausführung der Konstruktion, das „Baukastenprinzip“ und die Theorien zu den Marmorplatten ein. Sein schlichtes Fazit lautete: Eine fundierte Aussage zu ihrer Herkunft sei unmöglich zu treffen.
Der Thron bleibt also weiterhin ein Mysterium, auch wenn sein Mythos etwas entzaubert ist.

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