Domschatzkammer

Kirchenschatz und Welterbe

FAQs zum Gestaltungswettbewerb - Fragen an Dr. Birgitta Falk

Fragen an Dr. Birgitta Falk, Leiterin der Domschatzkammer Aachen, zum Gestaltungswettbewerb „Ein Kleid für das Gnadenbild“

Was ist eigentlich das Aachener Gnadenbild?

Unser Gnadenbild ist eine aus Holz geschnitzte Skulptur des 14. und 17. Jahrhunderts. Sie stellt die Muttergottes dar, die auf ihrem linken Arm das Jesuskind hält. Maria trägt ein bodenlanges, farbiges Kleid mit einem Mantel darüber; das Jesuskind ist unbekleidet. Die Figur steht im Aachener Dom an herausgehobener Stelle neben dem Hauptaltar. Die neben dem Bildwerk angezündeten Kerzen und die mitgebrachten Blumen sind Zeichen der besonderen Verehrung.

Gnadenbilder sind in der ganzen Christenheit verbreitet. Ein Gnadenbild ist ein Bild oder häufiger – wie in Aachen – eine Figur, der wunderbare Kräfte zugeschrieben werden. Die theologische Haltung dazu ist eindeutig: Nicht etwa die Holzfigur besitzt wunderbare Kräfte. Durch das Gebet vor dem Gnadenbild wirkt Maria als Fürbitterin bei Gott. Er ist es, der die Gnade gewährt.

Das Aachener Gnadenbild hat einen Kleiderschrank?

Die Verehrung des Gnadenbildes geht bis das Mittelalter zurück. Fast ebenso alt ist die Tradition, ihm Kleidung und Schmuck zu schenken. Daher gibt es 43 Kleiderpaare für Mutter und Kind, die jüngsten aus dem 21. Jahrhundert. Die Textilien sind Zeichen des Respekts vor der Gottesmutter und ihrer Verehrung. Schenkungen gingen häufig mit persönlichen Anliegen oder verbunden mit einem Dank für Hilfe in Not einher. Viele unserer Kleider sind sehr alt und nicht mehr zu restaurieren; sie werden daher im Magazin aufbewahrt. Andere werden dem Gnadenbild nach einem festen Kalender im Lauf des Kirchenjahres angezogen. Der Kleiderwechsel erfolgt rund 16-mal im Jahr. Daher sehen Besucher des Doms das Gnadenbild, das ja eigentlich bereits ein geschnitztes Kleid trägt, stets mit Textilien bekleidet.

Wie kam es zu der Idee für ein neues Kleid?

In diesem Jahr feiern wir am Aachener Dom 40 Jahre Welterbe. Eines der zentralen Themen dabei ist die besondere Bedeutung der Kirchen- und Bistumspatronin Maria. Ihre seit Jahrhunderten bis heute dauernde Verehrung halte ich für ein immaterielles Welterbe. Traditionen können nur überdauern, wenn sie immer wieder neu mit Leben gefüllt werden und nicht als überholte Konventionen verstanden werden. Wir dürfen nicht vergessen: Alle bisherigen Gewänder des Gnadenbildes waren einmal neu und modern. Vielleicht haben auch diese Kleider, die wir heute als historisch und angemessen ansehen, in ihrer Zeit Kritik und Widerspruch hervorgerufen.

Was sind die Anforderungen an die Entwürfe?

Manche Dombesucher wundern sich, dass Maria und Jesus prächtige Kleidung und goldenen Schmuck tragen, weil sie ein anderes Bild von Jesus und Maria haben. So lautet die dritte Strophe aus dem Lied „Maria dich lieben..?“ (Gotteslob 521):

Du Frau aus dem Volke, von Gott ausersehen,

dem Heiland auf Erden zur Seite zu stehen,

kennst Arbeit und Sorge ums tägliche Brot,

die Mühsal des Lebens in Armut und Not.

Kleidung ist ein Spiegel der gesellschaftlichen Verhältnisse. Wie stellen wir uns heute Maria vor, was würde sie heute tragen, wie würde sie uns in unserem Alltag begegnen? Was würde sie uns durch ihre Kleidung vielleicht sagen wollen? Daher wünschen wir uns im Wettbewerb bewusst ein Alltagsgewand.

Wie funktioniert ein solcher Wettbewerb und wer entscheidet über die Auswahl?

Es handelt sich um einen offenen Wettbewerb, d.h. jede/r darf teilnehmen. Bis zum 27. September können Entwürfe eingereicht werden. Jedem Entwurf ist ein kurzer Lebenslauf, ein Foto des/r Einreichenden sowie eine Erläuterung des Entwurfs beizufügen. Eine Jury aus Angehörigen des Domkapitels, Liturgie- und Kunsthistorikern, Designern, Restauratoren und Textilspezialisten berät über die Entwürfe und kürt einen ersten, zweiten und dritten Preis.

Wie kann man sich über den Wettbewerb und seinen Fortgang informieren?

Über den in der Dominfo ausgelegten Ausschreibungsflyer, den wir auf Anfrage auch gern zusenden, und über die homepage www.aachener-domschatz.de.

Sie haben in einem Interview gesagt: „Ich bin für alles offen.“ Ist damit nicht Tür und Tor geöffnet auch für respektlose oder unpassende Einsendungen?

In der Tat habe ich das gesagt. Ich freue mich über jede ernsthafte Einsendung, denn das bedeutet, dass sich hier jemand mit der Muttergottes und unserer Fragestellung auseinandergesetzt hat, sich die Mühe gemacht hat, etwas zu entwerfen und der Jury zu erläutern. Als Entwurf ist zunächst einmal alles zugelassen. Die Jury entscheidet über künstlerische Qualität, die seriöse Auseinandersetzung mit dem Thema, Angemessenheit und Praktikabiliät. Ich gehe selbstverständlich davon aus, dass die mit Bedacht zusammengesetzte Jury die Würde unseres Doms und des Gnadenbildes wahren wird.

Haben Sie schon Entwürfe gesehen? Wissen Sie, wer sich beteiligt?

Die Mitglieder der Jury dürfen vor der Jurysitzung keine Entwürfe sehen. Diese Post wird bei uns in einem sicheren Raum aufbewahrt. Zudem handelt sich um einen anonymen Wettbewerb. Der Jury werden die Namen der prämierten Einsendungen erst nach Ende des Auswahlprozesses genannt.

Die Preisgelder belaufen sich auf 9.000 Euro?

Zum einen: Viele der bisherigen Kleider und Schmuckstücke waren kostspielig, einige sogar außerordentlich teuer. Unser Gnadenbild sollte uns etwas wert sein.

Zum anderen: Die Höhe der Preisgelder (5.000, 3.000 und 1.000 Euro) bewegt sich im üblichen Bereich für internationale künstlerische Wettbewerbe. Schließlich möchten wir ja eine hohe Qualität und dass sich auch gute Künstler überregional beteiligen. Die Kosten für den Wettbewerb werden übrigens durch Spenden getragen. Die Sponsoren unterstützen unser geistliches Anliegen, nämlich die Erschließung der Marienverehrung für Menschen unserer Zeit.

Es werden ja sicherlich viele Ideen kommen. Ziehen Sie dem Gnadenbild das alles an?

Nur der erste Preis wird auch ausgeführt. Am Tage der Preisverleihung am 1. Februar wird Maria das Kleid tragen. Unser jährlicher Bekleidungswechselkalender gilt natürlich weiter und wir werden schauen, zu welchen Anlässen oder Festen das Gnadenbild das neue Kleid tragen könnte.

Könnte es sein, dass das Gnadenbild dann einen Bikini trägt?

Da die Muttergottes vollständig bekleidet ist, wäre das eine absurde Idee. Wir dürfen davon ausgehen, dass die Jury die Würde des Domes und des Gnadenbildes bewahren und nichts unangemessenes zulassen wird.

Wie sehen Sie die Kritik an dem Projekt?

Ich halte es für ein gutes Zeichen, dass viele Menschen sich mit dem Thema beschäftigen, zeigt dies doch, wie wichtig unser Glaube und auch die Verehrung der Muttergottes heute noch genommen werden. Das Thema wird sehr emotional und kontrovers behandelt. Es gibt viel positive Unterstützung, andere fühlen sich in ihren religiösen Gefühlen verletzt. Davor habe ich Respekt, denn das ist natürlich nicht unsere Absicht bei diesem Projekt. Fast immer übrigens geht das Gefühl, wir seien respektlos, darauf zurück, dass Menschen unzureichend oder auch falsch informiert sind.

Wie gehen Sie mit der massiven Kritik an Ihrer Person um?

Gerade moderne Kunst ist bisweilen stark emotionalisierend. Die an einigen Stellen bestehenden Vorbehalte gilt es mit sachlichen Argumenten auszuräumen. Ich mache die Erfahrung, dass man viel und gern über eine Sorge redet, ohne sich direkt mit den wirklichen Sachverhalten auseinander zu setzen. Ich beantworte die an mich gerichteten Schreiben und bin gern zum Gespräch bereit, weil ich von unserem Projekt überzeugt bin. Ich fühle mich allerdings persönlich getroffen von der Homepage der Initiatoren. Der Wettbewerb wird dort meines Erachtens mit Absicht missverständlich dargestellt und damit werden die Besucher der Homepage bewusst falsch informiert. Zu leicht glaubt man Dinge, die im Netz stehen, wenn sie skandalös erscheinen. Auf der genannten Homepage finden sich falsche Informationen und irritierende Bilder, die mit dem Wettbewerb und seiner Intention gar nichts zu tun haben.

26. September 2018

 

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